Aus China
«Nicht der Wind, sondern das Segel bestimmt die Richtung.»
Die Segeleigenschaften
Ein komfortables Boot zu designen, das aus fünf Knoten Wind ebenso viel Speed herausholt, so lautete der Auftrag an die Konstrukteurin Juliane Hempel. Nun, sie hat die Aufgabe mehr als erfüllt. Denn «BlueSound» ist schon mit 3 kn scheinbarem Wind und aufgeholtem Schwert (ca. 0,5 qm Lateralfläche) 4 kn schnell unterwegs (gemäss GPS-Messung, vgl. Logbuch-Eintrag vom 24. Juli). Das Schiff ist bis etwa 10 kn Wind bei glattem Wasser kaum schlagbar, und auch wenn es stärker bläst, kann «BlueSound» gut mit den Rennyachten auf dem See mithalten. Maximal mit GPS gemessener Speed war 10,5 kn bei 15 kn Wind aus 90 Grad (Gr’, Fock), die theoretische Rumpfgeschwindigkeit von 8 kn wurde damit deutlich übertroffen. Allerdings macht dem Boot bei zunehmendem Wind der Seegang zu schaffen. Eine kurze ca. 1-Meter Welle bei 20 kn Bise (wie etwa am 13. September, Gr’, Fock) stoppte das Boot mehrere Male auf. Im Cockpit bleibt man zwar trocken, man fühlt sich sicher, aber komfortabel ist das Segeln unter diesen Bedingungen nicht mehr. Am meisten Spass macht die «BlueSound» eben bei linden Lüftchen (1).
Die Membrane Segel von Marco Haase.
Über Rigg und Segel
Die Planung war zwar detailliert, Henning entwarf extra für die «BlueSound» einen Riggplan. Was aber dann von Seldén geliefert wurde, entsprach nicht den Erwartungen und führte zu Irritationen (vgl. Logbuch-Eintrag vom 13. September 2013). Nachdem jedoch die CodeZero abgeändert war, konnte der Segelspass richtig beginnen (Logbuch-Eintrag vom 24. Juli 2014). Die Backstagen haben wir übrigens nie gesetzt, vielleicht hätte man sich die ersparen können? Als unterdimensioniert haben sich die Umlenkrollen auf dem Kajütdach erwiesen, über welche die Leinen vom Mastfuss ins Cockpit geführt werden. Diejenigen fürs erste Reff sowie fürs Grossfall verbogen sich unter der Last. Da wird sich Jeroen über den Winter noch etwas ausdenken müssen (2).
Natürlich sind die Membrane Segel von Marco Haase der Blickfang auf dem See. Getrübt wurde die Freude allerdings durch den Riss am Mastliek (Logbuch-Eintrag vom 9. September 2014), für dessen Entstehung wir zunächst keine Erklärung hatten, da an dieser Stelle (unter der ersten Reffkausch) eigentlich keine grossen Belastungen auftreten sollten (3). Marco Haase räumte dann ein, dass an dieser Stelle die zweite Textilband-Verstärkung fehlt, die sonst bei jedem Rutscher angebracht wird. Er sandte uns ein provisorisches Reparatur-Kit (das wir anlässlich des Einwinterns aufklebten) und versprach, das Segel zur Reparatur nach Travemünde mitzunehmen, wenn er das nächste Mal in der Schweiz vorbeikommt.
Die Motorisierung
Die Wahl eines im Schacht gefahrenen 30-PS-Aussenbordmotors als Antriebsquelle hat sich mehr oder weniger bewährt. Allerdings ginge es wahrscheinlich auch mit einem kleineren Motor, denn die Schraube kann die 30 PS gar nicht in Speed umsetzen. Dies zumindest lassen die Kavitationsgeräusche vermuten, die zu hören sind, sobald mit mehr als halber Kraft gefahren wird. Möglich ist, dass die unten am Motor angebrachte Abdeckplatte die Effizienz des Props beeinträchtigt oder dass die Steigung des Propellers suboptimal ist für unseren Einsatzbereich. Ist aber alles eigentlich kein Problem, die «BlueSound» erreicht auch so mit halber Kraft unter Motor Rumpfgeschwindigkeit.
Als unbegründet erwiesen sich die Befürchtungen, die erwähnte Abdeckplatte (sie schliesst unter Segeln bei aufgeholtem Motor den Rumpf) könnte den Wellenkräften nicht standhalten und abbrechen. Sie ist immer noch fest mit dem Motor verschraubt (4), konnten wir uns versichern (vgl. Logbuch-Eintrag vom 16. Juni 2014).
Nicht bewährt hat sich hingegen die Drahtseilwinde, mit welcher der Motor hochgeholt wurde. Sie zerfiel schon Mitte Saison in ihre Bestandteile. Jetzt wird der Motor-Hochholer über eine Curry-Klemme ebenfalls auf die Elektrowinsch umgeleitet. Auf diese Idee hätte jemand schon von Anfang an kommen können …
Die Ruderanlage
Viel graue Energie haben wir für die Entwicklung der Ruderanlage aufgewendet. Juliane plädierte angesichts der Breite des Hecks für eine Doppelruderanlage. Dies hätte jedoch (mit den von ihr vorgeschlagenen angewinkelten Ruderblättern) eine relativ aufwändige Konstruktion mit Quadranten und Gestänge erfordert, für die unter dem Cockpit-Boden zu wenig Platz ist. Zudem wären dann auch zwei Motoren notwendig gewesen, um die Manövrierfähigkeit im Hafen zu garantieren.
Zwischendurch diskutierten wir die Konstruktion eines geneigten Steckruders, das unter das Heck gereicht und so eine gewisse Vorbalance ermöglicht hätte. Doch dies hätte den Einbau eines «Targabügels» bedingt, über den das Steckruder hoch geholt worden wäre. Schliesslich entwickelte uns Thomas Bergner ein klassisches Klappruder, wie er sie auch schon für 30er Jollenkreuzer gebaut hat, nur entsprechend grösser und stabiler (5).
Allerdings wurde die Version für «BlueSound» ein kleines Monster. Juliane errechnete für das Ruderblatt eine Fläche von ca 0,7qm bei einem Tiefgang von 1,35 m. Ca. 11 % Vorbalance sollte den Druck an der Pinne mindern. So lange das Schiff unter Segeln unterwegs ist und keine grossen Ruderausschläge erforderlich sind, funktioniert die Konstruktion einwandfrei, man kann die Pinne via Verlängerung meist mit zwei Fingern halten. Ziemlich viel Kraft erfordert hingegen das Wenden und das Halsen, bis das Schiff wieder auf Kurs ist, denn die Pinne misst ja bloss einen Meter, entsprechend klein ist der Hebelarm. Kritisch wird’s, wenn man bei aufgeholten Schwert ins seichtere Wasser gerät, denn dann ist das Ruderblatt mit 1,35 m Tiefgang der tiefste Punkt am Schiff. Das Blatt klappt zwar bei Grundberührung bei gelöstem Niederholer hoch und schwimmt auf der Wasseroberfläche. So aber ist das Schiff nicht mehr steuerbar. Um das Ruderblatt zu schützen, muss das Schwert also immer mindestens 1,35 Meter unten bleiben oder flaches Wasser gemieden werden.
Trickreich ist das Hochholen des Ruderblattes, etwa im Hafen, wenn heckvoran an die Mole parkiert werden soll. Die Vorbalance gibt dem Ruderblatt Auftrieb, es bildet sich ein toter Punkt, den der Hochholer nicht überwinden kann. Ich muss also jedes Mal die Badeplattform runterklappen und von dort aus mit einem Paddel das Ruderblatt über den toten Punkt hinweghebeln, bis es dann durch den Eigenauftrieb an die Wasseroberfläche spickt. Jetzt kann man das Blatt mit dem Hochholer hochklappen, aber eben wieder bloss bis zu einem weiteren toten Punkt. Um das Blatt vor der Mole zu schützen, muss ich nochmals Hand anlegen und das Ruderblatt mit einem zusätzlichen Tampen sichern.
Tönt ein bisschen nach Murks, ist es auch. Wohl aus diesem Grund hat die Hochholer-Umlenkrolle auf der Pinne bereits den Geist aufgegeben, ich musste sie durch ein stärkeres Modell ersetzen. Auch die kleine Winsch musste einem grösseren, selbstholenden Modell weichen (6). So habe ich wenigstens eine Hand frei …
Die Situation mit der Ruderanlage ist zwar nicht perfekt, man kann jedoch damit leben. Schliesslich muss man das Blatt ja nicht unbedingt mehrmals am Tag hochheben. Trotzdem würde ich für den Bau einer Mk2 eine vereinfachte Doppelruder-Anlage (wie bei Katamaranen mit zwei senkrecht montierten Ruderblättern) bauen lassen, gepaart mit zwei leichten Elektromotoren. Dies würde gleichzeitig ein wenig Gewicht aus dem Heck nehmen und den Längstrimm verbessern (siehe unter Trimm).
Erstaunlich gut funktioniert der Kamm, mit dem die Pinne belegt wird. Es braucht ein bisschen Geduld, bis die richtige Kerbe gefunden ist, um den Kurs zu halten. Danach fährt das Schiff aber brav geradeaus, der Steuermann hat beide Hände frei für die Segelbedienung. Befürchtungen, das Teil könnte zu schwach sein, haben sich nicht bewahrheitet.
Das Schwert
Der Bau des Schwertes war ja auch so eine spezielle Übung (vgl. Baugeschichte). Im Endeffekt hat es sich bewährt, dass wir das von Juliane gezeichnete Profil hohl und aus Niro fertigten (7). Zusammen mit den 400 kg Bleischrot wiegt das Schwert ziemlich genau die 600 kg, die Juliane gefordert hat. Trotzdem stampft das Schwert innerhalb des Kastens bei viel Wellengang sogar in der untersten Position, also wenn der Schwertkragen auf dem Innenkiel aufliegt (was ich angesichts des Gewichts nicht für möglich gehalten hätte). Hätte ich das gewusst, hätte ich fürs erste weniger Bleiballast ins Schwert versenkt und erst später bei Bedarf nachgefüllt.
Das Schwertfall mussten wir auf 10 mm nachrüsten, da es sonst durch die Selbsthole-Vorrichtung der Elektrowinsch durchrutscht (obwohl diese laut Prospekt 8 mm halten sollte). Dazu musste Pierre die Flaschenzugrollen im Schwert aufbohren. Aber jetzt funktioniert die Sache, auch das Fall zeigt bis jetzt entgegen ersten Befürchtungen keine Verschleisserscheinungen . Auch die Teflon-Führung durch den Rumpf hindurch hat bis jetzt den Test bestanden (8).
Das Cockpit
Das Cockpit-Layout hat sich voll bewährt. Alle Leinen können wenn erwünscht auf die elektrische Zentralwinsch umgelenkt werden und bleiben in Reichweite des Steuermanns. Letzterer hat unter Fahrt vom Heckkorb-Sitz aus einen guten Blick nach vorn (9), aber auch unten (etwa während der Arbeit an der Winsch) kann man durch die vorderen Kabinenfenster einen Blick nach vorn erhaschen.
Der Winsch-Bügel gibt Halt unter Fahrt, die daran befestigten Doppel-Grossschoten erlauben einen befriedigenden Segeltrimm. Das ebenfalls am Bügel angehängte Tischblatt (10) haben wir inzwischen vergrössert, damit sich die Schoten nicht ständig zwischen Tischblatt und Bügel verfangen.
Daneben hat’s im Cockpit bequem Platz für jede Menge Mitsegler, im Hafen wird es dann (mit dem Heck zur Mole) zur Terrasse mit Aussicht auf den See (11 und 12). Und schliesslich ist vor Anker der Zugang zum Wasser über die Badeplattform ideal, die Gelenke der Teleskop-Badeleiter musste Joel zwar bereits verstärken, aber jetzt funktioniert’s bestens (13).
Bestens bewährt hat sich die «Kuchenbude» fürs Cockpit. Vollständig montiert wird sie jeweils bloss zur Überwinterung, um das Cockpit ein bisschen vor all dem Schmutz (Swiss Air Force, Möwen) zu schützen. Im Sommer spendet sie zusammen mit den aufrollbaren Seitenteile als Bimini Schatten, da ist es gerade gut, dass wir aufs Einbauen von Fenstern verzichtet haben. Und zum Segeln wird das ganze sowieso nach hinten geklappt.
Vom Heckkorb-Sitz aus hat man eine gute Sicht nach vorn.
Die Mechanik
Die Elektrowinsch Sie ist der eigentliche Sklave auf dem Schiff. Mit ihr wird das Grosssegel gesetzt, die Reffleine durchgesetzt, wenn nötig die Grossschot dichtgeholt und vor allem das Schwertfall bedient. Wegen letzterer Funktion habe ich mich für die 48er MSM-Rewind (14) entschieden, weil damit das Schwert auf Knopfdruck hochgeholt und abgesenkt werden kann, so dachte ich. Falsch. Denn die Rewind-Funktion schaltet erst ab 20 kg Zug ein (haben die MSM-Leute mir hinterher erklärt). Nun wiegt das Schwert zwar etwa 600 kg, wegen der 1:10 Untersetzung ergeben sich jedoch bloss 60 kg Zug auf dem Schwertfall, von dem dann einiges von der Reibung verschluckt wird. Fazit: Will man das Schwert absenken, kann man das Fall gemütlich aus der Hand führen, jedenfalls ist der Zug zu wenig gross, um an der Winsch die Rewind-Funktion auszulösen.
Umgekehrt addiert sich die Reibung beim Hochholen des Schwerts zu den 60 kg. Aber um damit fertig zu werden braucht es keine 48er MSM (die wenn nötig drei Tonnen heben kann und die Leinen zerreisst, wenn man nicht aufpasst). Die gewöhnliche MSM40, die wir auf der SOUND installiert haben, hätte genügt und viel weniger gekostet …
Das Bugstrahlruder Ohne wäre es oft schwierig, heil in den Hafenplatz zurück zu gelangen. Die Funksteuerung um den Hals und die Hände an Pinne und Motorkontrolle schafft man es gut alleine. Dabei haben sich die 2,5 kW Leistung der Bugschraube (15) als vollkommen genügend erwiesen. Sie könnte jedoch weiter vorn installiert sein, etwa unter dem Boden der Segellast, von oben zugänglich über einen wasserdichten Deckel.
Die elektrische Rollreff-Anlage Die elektrische Furlex 200 (16) bietet puren Luxus für den Einhandsegler. Bis jetzt hat sie uns nie im Stich gelassen. Beim Ausrollen muss man einfach darauf achten, dass das Vorstagprofil richtig steht (der Schotzug genügt da nicht). Das Prinzip überzeugt mich und ich plane, bei FURLTEC in Dänemark einen ähnlichen Elektrofurler für die frei fliegende CodeZero-Genua bauen zu lassen.
Der Trimm
Bereits als die «BlueSound» am 7. Juni 2013 das erste Mal zu Wasser gelassen wurde, war es augenfällig: Das Schiff krängte sichtbar etwa 2 Grad nach Steuerbord. Die Kücheneinrichtung war offenbar schwer genug, um das Boot aus der Balance zu bringen. Joel und Simon lösten das Problem, indem sie Boiler und Batterien so weit wie möglich nach Backbord versetzten. Der Seitentrimm ist jetzt ziemlich ausgewogen, hingegen hängt das Schiff immer noch leicht mit dem Heck im Wasser. Das sieht man bereits auf den ersten Fotos unter Segeln (17), obwohl sich dort je ein Mann auf dem Vorschiff und im Cockpit aufhält, die Gewichtsverteilung somit ausgeglichen wäre. Unter Segeln taucht der Ruderkopf leicht ins Wasser ein und verursacht (bremsende) Wirbel. Fünf Wasserkanister à 25 l vorne in die Segellast versenkt sollten das Problem lösen. Ich bin jedoch nicht sicher, ob das (ausser 125 Kilo Gewicht am falschen Ort) viel bringt und werde es nächste Saison vorerst mal ohne Trimmballast versuchen.
Der Wohnkomfort
Punkto Wohnkomfort lässt die «BlueSound» keine Wünsche offen. Der Salonbereich, die Mittschiffs-Kabine und natürlich die Eignerkabine im Vorschiff mit Arbeitsplatz und riesiger Doppelkoje machen das Schiff wie geplant (auch noch) zum bequemen schwimmenden Ferienhäuschen direkt am Seeufer. Gleichwohl hätte ich auch in diesem Bereich einige Ideen für eine Mk2. Zum Beispiel die Stehhöhe: Gewünscht waren minimal 175 cm auch im Vorschiff, jetzt sind’s ca 190 cm (18). Die Schale hätte somit gut 10 cm niedriger gebaut werden können, was Geld sowie Gewicht gespart hätte und der Optik zugute gekommen wäre.
Der Innenausbau mit all den Möbeln aus Zedernholz-Fronten sieht zwar wirklich toll aus, ist aber anfällig auf Kratzer und war auch finanziell sehr aufwändig. Für eine Mk2 müsste man sich eine einfachere (auch Gewicht sparende) Lösung ausdenken. Noch gar nie gebraucht wurde die durch Aufklappen der Sitzlehne zugängliche Doppelkoje im Salon (19), die hätten wir uns wahrscheinlich ersparen können. Kaum genutzten Luxus bietet auch die Pantry mit dem Glaskeramik-Gaskochfeld (20). Dies hatten wir installiert, weil wir befürchteten, die Anschlussleistung sei zu gering, um elektrisch kochen zu können. In der Praxis hat Tom aber meist eine mobile Induktionsplatte benutzt, was selbst bei gleichzeitiger Benutzung des Mikrowellenofens gut klappte. Gerade richtig dimensioniert ist die Nasszelle mit dem Colani-Trockenklo (21). Es kam erst dreimal (notfallmässig) zum Einsatz und genügt den Ansprüchen für einen Daysailor vollkommen. Wir sind froh, dass wir uns weder mit Schmutzwassertank noch Chemie-Toilette rumschlagen müssen. Auf dem Deckel über dem Klo kann man sich bequem hinsetzen zur «Katzenwäsche» und zum Zähneputzen, das Grauwasser wird in 10-Liter-Kanistern aufgefangen (22).